Aufarbeitung von Mannheims Kolonialgeschichte
Im „Mannheimer Intelligenzblatt“ vom 27. April 1837 wurde eine „merkwürdige Seltenheit“ angekündigt. In einem Wagen sollten „Naturseltenheiten“ aus anderen Welten präsentiert werden. Ein Afrikaner mit „muskulösem Körperbau und anderen Eigentümlichkeiten“ wurde als Ausstellungsstück durch das Land gekarrt und schaulustigen Menschen vorgeführt. 1907 zum Stadtjubiläum gab es dann das „Abessiner-Dorf“ als Attraktion in der Augusta-Anlage. 70 Frauen und Männer aus Nordostafrika waren „Ausstellungsstücke”, die man gegen Eintritt besichtigen konnte.
Nun könnte man meinen, dass dieser unerträgliche Rassismus in Folge des Kolonialismus der Vergangenheit angehört und in der Mottenkiste der Geschichte vergraben werden sollte, aber nur wer die Vergangenheit kennt, kann Gegenwart verstehen und Zukunft gestalten. Darum ist es wichtig, dass auch Mannheim auf diesen „kolonialen“ Teil seiner Geschichte zurückblickt, dessen Protagonisten noch bis vor wenigen Jahrzehnten geehrt worden sind.
Nehmen wir als Beispiele die nach Kolonialisten benannten Straßen auf der Rheinau, deren Umbenennung bevorsteht, die Sarotti-Figur im Capitol oder die Ehrung von Theodor Seitz in Seckenheim. Dieser wurde noch zu Lebzeiten 1946 als Ehrenbürger gewürdigt. Eine Gedenktafel in der Hauptstraße 80 ehrt den 1949 verstorbenen Kolonialbeamten und Ehrenpräsidenten der „Deutschen Kolonialgesellschaft“. Die Tafel wurde 1962 auf Wunsch „bestimmter Kreise der Seckenheimer Bürgerschaft“angebracht. Man ehrte ihn als „verdienstvollen Pionier auf afrikanischem Boden” und befürchtete, dass sein Wirken als gutes Beispiel eines Menschen in Vergessenheit geraten könnte.
Hier ein paar Beispiele seiner „guten Taten“: Während seiner Amtszeit als Kolonialbeamter in Kamerun erwirkte er eine Steuer, die dort jeden Mann zu 30 Tagen Arbeit pro Jahr verpflichtete. Er verdoppelte die Anzahl der Bestrafungen durch körperliche Züchtigung. Menschen wurden zwangsweise umgesiedelt und man missbrauchte sie als billige Arbeitskräfte. Diese Seite des hochgelobten Seckenheimer Ehrenbürgers Theodor Seitz kam bisher kaum zur Sprache und sollte nun endlich zu einer Entehrung führen. Sich mit der Geschichte Mannheims zu beschäftigen, muss auch und gerade die dunklen Seiten ans Licht bringen. Das Buch „Imperiale Weitläufigkeit und ihre Inszenierungen“ tut dies und ist unser Lesetipp für alle, die den Blick auf Mannheims koloniale Vergangenheit schärfen wollen.