Sicherheit in Mannheim
Die Sicherheit in Mannheim stärken!
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Viele Menschen fühlen sich derzeit verunsichert: In Mannheim, in Deutschland, in Europa und darüber hinaus. Internet und Social Media ebenso wie die zunehmende weltweite Migration und Mobilität haben unsere Gesellschaft in den letzten Jahren deutlich verändert. Die Welt, in der wir leben, ist nicht mehr gefühlt klein und übersichtlich, sondern Teil der weltweiten Entwicklung. Ereignisse in anderen Ländern und Kontinenten sind uns heute präsent und sind nicht mehr so fern wie noch zum Ende des 20. Jahrhunderts. Das gilt gerade auch für negative Geschehnisse, über die eher berichtet wird als über positive. Die Terrorangriffe in Paris, der Militäreinmarsch in der Ost-Ukraine, die Folterung eines Menschenrechtlers in Saudi-Arabien, die Flüchtlingsdramen in der Türkei und im Mittelmeer sind Teil unseres Lebens und der öffentlichen Diskussion in Deutschland. Diese Entwicklung überfordert viele Menschen. Sie empfinden dies als persönliche Bedrohung. Aber auch die deutsche Gesellschaft insgesamt scheint diese Entwicklung noch nicht verkraftet zu haben, ähnlich wie in vielen anderen Ländern. Infolge dieser Verunsicherung suchen viele Menschen in erster Linie nach gefühlter Sicherheit und nach möglichst einfachen Antworten auf die gefühlte Bedrohungslage.
In Deutschland waren die Übergriffe in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln, Hamburg und weiteren Städten ein Katalysator der politischen Debatte über Sicherheit im öffentlichen Raum, in Mannheim nochmals zusätzlich die Meldung einer Vergewaltigung am Mannheimer Wasserturm, dem Symbol dieser Stadt. In aller Hektik wurden einzelne Maßnahmen wie eine verstärkte Videoüberwachung, eine Verschärfung des Strafrechts, der Einsatz von Body-Cams oder eine schnelle Aufstockung der Polizeikräfte gefordert – oft ohne Rücksicht auf eine eventuelle Wirksamkeit, bestehende Gesetze und die Grundsätze unserer Werteordnung.
Gegen Schnellschüsse und einfache Antworten verwehren sich Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Wir setzen auf eine gründliche Analyse und eine sachliche Diskussion in ruhiger, unaufgeregter Atmosphäre.
Die Debatte um Sicherheit ist nicht so einfach zu führen, sie ist im Gegenteil eher komplex. Sicherheitsmaßnahmen stehen oftmals, wenn auch nicht immer, in einem Spannungsverhältnis zu unseren Freiheitsrechten. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen auch in Zukunft dafür ein, ein ausgewogenes Verhältnis von Freiheitsrechten und Sicherheitsmaßnahmen zu gewährleisten. Auch ist Sicherheit mehrdimensional. Neben der objektiven, tatsächlichen Sicherheit spielt für die Menschen die subjektive, gefühlte Sicherheit eine wichtige Rolle. Es ist eine grundlegende Pflicht des Staates die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten – wissend dass es eine absolute Sicherheit nicht geben kann, noch dass sie mit ihren Konsequenzen erstrebenswert wäre. Es ist aber auch Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass der öffentliche Raum den Menschen zur Verfügung steht und sie sich dort sicher bewegen können. Wenn der öffentliche Raum jedoch als unsicher wahrgenommen wird, wird er von der Bevölkerung nicht angenommen und steht ihr faktisch nicht zur Verfügung. Neben der Sicherstellung der objektiven Sicherheit muss der Staat daher auch für einen lebenswerten, öffentlichen Raum sorgen.
Wie kann und soll die öffentliche Sicherheit und Ordnung angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen gewährleistet werden? Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates durch ausreichendes und gut qualifiziertes Personal die klare Antwort. Beeinträchtigungen der Sicherheit betreffen immer Konfliktsituationen zwischen Menschen. Diese können am besten durch Menschen gelöst oder verhindert werden.
Die Technik kann dabei nur ein Hilfsmittel sein
Auf Grundlage dieses Prinzips arbeitet seit jeher die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Gemeinderat der Stadt Mannheim. Angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen ist nun zu überprüfen, inwiefern die bisherigen Maßnahmen im Bereich der Sicherheits- und Ordnungspolitik weiter angemessen sind oder an neuere Entwicklungen angepasst werden müssen. Deshalb schauen wir genau hin und betrachten nicht nur die Ereignisse der vergangenen Wochen. Wir fragen: Welche Maßnahmen sind tatsächlich wirksam und was kommt einfach nur aus der Mottenkiste der Hardliner der Inneren Sicherheit? Welche Maßnahmen verbessern das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung? Welche Maßnahmen sind im Rahmen unserer Werteordnung zulässig und schränken nicht grundlegende andere Grundrechte ein? Auf Grundlage dieser Fragen gestalten wir Sicherheitspolitik.
Wie sieht die Sicherheitssituation in Mannheim aus?
Die Daten der amtlichen Kriminalitätsstatistik belegen, dass die objektive Sicherheit sich gegenüber den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts deutlich verbessert hat. Allerdings hat sich die Kriminalitätssituation zuletzt wieder verschlechtert. Inwieweit die Sicherheit zukünftig verbessert werden kann, hängt davon ab, wie sich die zukünftige Kriminalitätsentwicklung darstellt und ob Polizei und Justizbehörden entsprechend der Bedarfslage mit Personal ausgestattet sind. Die subjektive Sicherheit in Mannheim hat sich zuletzt ebenfalls verschlechtert analog der Entwicklung in ganz Deutschland, sichtbar auch durch die derzeitige öffentliche Debatte.
In welchen Themenfeldern gibt es Handlungsbedarf?
a) Umfassende und frühzeitige Kriminalitätsprävention
Prävention, d.h. die Verhinderung von Kriminalität, ist für uns der beste Schutz der Bürger*innen. Jede Straftat und jede Ordnungswidrigkeit, die gar nicht erst begangen wird, stärkt die öffentliche Sicherheit – tatsächlich und gefühlt. Daher wollen wir die Präventionsarbeit stärken. Dabei setzen wir ganz früh an, bereits in Jugend- und Bildungseinrichtungen. Kinder und Jugendliche sollen früh lernen, was Demokratie und Recht bedeuten, nicht nur passiv als Teil eines Systems von Werten und Normen, in das sie sich einfügen müssen, sondern als durch aktive Teilhabe und Mitgestaltung unserer Gesellschaft z.B. in Jugend- und Schülervertretungen, mit eigenen Rechten.
Von zentraler Bedeutung für die Stärkung der gesellschaftlichen Prävention sind die Stärkung der sozialen Kontrolle und die Förderung der Zivilcourage. Wir schlagen hierfür eine gezielte Kampagne vor, um das Verantwortungsgefühl der Menschen wieder zu aktivieren. Eine Kampagne, getragen von der Stadt, der Polizei sowie zivilgesellschaftlichen Gruppen kann dazu beitragen, diese wieder in Erinnerung zu rufen und zu fördern. Wir brauchen wieder eine Kultur des Hinsehens. Viele Straftaten könnten verhindert werden oder deren Verlauf gemildert werden, wenn jemand hilft – nicht unbedingt durch eigenes Einschreiten, aber zumindest durch das Holen von Hilfe. Im Zeitalter von Smartphones eigentlich kein großer Schritt.
Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Gefragt sind neben der Polizei auch Stadt, Schulen, Vereine, Verbände, Glaubensgemeinschaften, Jugend- und Seniorenorganisationen, migrantische Organisationen sowie Opferschutzorganisationen wie der Weiße Ring. Eines besonderen Augenmerks bedarf die Gewaltprävention, insbesondere auch durch gruppenorientierte Ansätze. Eine wichtige Einrichtung ist diesbezüglich das Haus des Jugendrechts, das durch schnelle und gemeinsame Reaktion von Justiz, Polizei und Jugendamt auf Kinder- und Jugenddelinquenz sehr positiv zum Verhindern des Abgleitens von Kindern und Jugendlichen in die Kriminalität beiträgt.
Präventionsarbeit bedeutet dabei für uns nicht nur Präventionsarbeit im klassischen Sinn, sondern auch bildungs-, jugend-, sozial-, wohnungs- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Eine Gesellschaft, die allen Menschen eine gerechte gesellschaftliche Teilhabe gewährleistet, erzeugt wesentlich weniger Kriminalität.
b) Präsente und bürgernahe Polizei
Polizei und Justizbehörden müssen entsprechend ihren Aufgaben ausgestattet sein. Deutschlandweit wurde in den letzten Jahrzehnten Stellen bei der Polizei abgebaut. Auch in Baden-Württemberg wurden von CDU und FDP 1.000 Stellen abgebaut, in Mannheim beispielsweise das Revier im Jungbusch geschlossen, bevor Grün-Rot an die Regierung kam und einen Umschwung eingeleitet hat. So wurden mehr Beamt*innen eingestellt und durch die Polizeireform dafür gesorgt, dass jedes Polizeirevier zwei zusätzliche Beamte im Streifendienst erhält. Auch wurde die Polizei durch ziviles Personal von Verwaltungsarbeiten entlastet. Diese Maßnahmen sind sehr zu begrüßen. Wir begrüßen, dass die neue Regierung in Baden-Württemberg diesen Weg weitergehen und zusätzliche Stellen bei der Polizei schaffen wird. Dabei setzen wir auch auf die Einstellung von Menschen mit Migrationshintergrund, damit die Polizei die Breite unserer Gesellschaft widerspiegelt und allen Bereichen der Gesellschaft hohe Akzeptanz findet. Es ist absehbar, dass eine weitere Verstärkung der Polizei notwendig ist, insbesondere in Großstädten wie Mannheim, die durch relevante Migration geprägt sind. So ist die Bevölkerungszahl in Mannheim deutlich durch Zuwanderung gestiegen. Ein Mehr an Bevölkerung bedarf auch eines Mehrbedarfs an Polizeikräften. Dies gilt umso mehr, wenn viele Menschen unterschiedlichster Sozialisation zusammenkommen und mit unklarer Zukunftsperspektive auf engstem Raum zusammenleben müssen. Daher ist der Aufbau eines Polizeistandortes im Benjamin-Franklin-Village sehr zu begrüßen.
Die Arbeit der Polizei wurde in den letzten Jahren zunehmend durch Großeinsätze, insbesondere im Bereich von Fußballspielen des SV Waldhof Mannheim, belastet. Diese Einsätze kosten hohe Summen und binden die Einsatzkraft vieler Beamt*innen, die dann im Laufe des Jahres an anderer Stelle fehlt. Hier bedarf es einer gesellschaftlichen Debatte, inwieweit sich das Geschäftsmodell Fußballsport an den vom ihm verursachten Kosten finanziell beteiligen muss, im Sinne der allgemeinen Sicherheit.
Eine sichtbare Präsenz von Polizeibeamt*innen in der Öffentlichkeit stärkt das Sicherheitsgefühl und hilft Straftaten zu verhindern, sei es passiv durch einfache Präsenz oder aktiv durch Beratung oder Deeskalation durch dementsprechend qualifizierte Beamt*innen. Die flächendeckende Versorgung mit Polizeidienststellen und eine sichtbare Polizeipräsenz auf der Straße sind auch Grundlage von Bürgernähe. Sie erhöhen das Sicherheitsempfinden der Bevölkerung und tragen zur Kriminalitätsprävention bei. Diese wichtigen Aufgaben müssen von gut ausbildete professionelle Polizist*innen umgesetzt werden, den Einsatz von Privatpersonen als ehrenamtliche, bewaffnete Hilfspolizei lehnen wir ab.
Die Stadt Mannheim hat wie zahlreiche andere Großstädte seit etlichen Jahren zusätzlich zur Polizei einen eigenen kommunalen Ordnungsdienst (KOD) eingerichtet. Dieser trägt zur Erhöhung des subjektiven Sicherheitsgefühls bei, kann aber aufgrund seiner Befugnisse und seiner deutlich schlechteren Ausbildung Polizeikräfte nicht ersetzen. Wir nehmen zur Kenntnis, dass es diesen KOD auch zukünftig geben wird, solange die Landespolizei nicht durch massive Personalaufstockung in die Lage versetzt wird zukünftig die Verfolgung von Ordnungsstörungen umfänglich zu übernehmen. Die Mitarbeiter*innen des KOD repräsentieren schon durch ihre Anwesenheit für die Bevölkerung den Staat und werden in Unkenntnis ihrer tatsächlichen Kompetenzen auch in Situationen zu Hilfe gerufen, für die eigentlich die Polizei zuständig ist. Dementsprechend muss der KOD besser qualifiziert werden. Die Ausbildung muss deutlich aufgewertet und noch stärker an der Polizeiausbildung ausgerichtet werden.
Mit großer Besorgnis haben wir registriert, dass es Versuche gibt, Bürgerwehren einzurichten. Hier muss der Staatsschutz einschreiten. In keinster Weise darf der Staat auch nur ansatzweise tolerieren, dass rechte Gruppierung und kriminelle Banden das Gewaltmonopol des Staates in Frage stellen.
Die Haltung gegenüber Polizeibeamt*innen hat sich in den letzten Jahren verändert. Der natürliche Respekt gegenüber Einsatzkräften hat nachgelassen. Beamt*innen wurden vermehrt selber Opfer von Gewalt und Straftaten. Allerdings ist ebenso festzustellen, dass auch Polizeikräfte selbst primär bei sogenannten Großlagen gegen Gesetz und Ordnung verstoßen. Beide Problematiken konnten bisher nur unzureichend vermieden oder geahndet werden. Hier braucht es neue Instrumente. Zum jeweiligen Schutz bzw. zur Aufklärung sind in besonderen Ausnahmesituationen eine anonymisierte Kennzeichnung der Beamt*innen und das Tragen von Bodycams, von Polizist*innen direkt am Körper getragenen Videokameras angebracht. Die Kennzeichnungspflicht von Beamt*innen bei Großeinsätzen fördert Bürgernähe, da die Menschen so nicht mehr der Polizei insgesamt gegenüber stehen, sondern einzelnen Beamt*innen und eine eventuelle Ahndung von Verstößen ermöglicht wird, die bisher an einer nicht möglichen Zuordenbarkeit scheitert. Die Bodycams helfen Straftaten aufzuklären und scheinen in bisherigen Praxiserfahrungen auch zur Reduktion von Gewalt beigetragen zu haben. Daher ist ein Einsatz für Streifenfahrten zu Nachtzeiten, in denen die Polizei viel mit alkoholisierten Personen zu tun hat, oder bei Einsätzen, bei denen von vornherein die Gefahr von Übergriffen gesehen wird, zu testen. Ein Einsatz von Bodycams rund um die Uhr und bei jeglichen Diensten ist dagegen nicht sinnvoll, da die Bodycams immer auch Distanz und Misstrauen erzeugen. Der generelle Einsatz würde dem Ziel einer bürgernahen Polizei zuwiderlaufen. Die bestehenden Einsatzkonzepte der Polizei müssen insgesamt überarbeitet und an neue Herausforderungen angepasst werden, damit die Polizei beispielsweise auch auf Gruppen, die sich über das Internet lose verabreden, angemessen reagieren kann. Hier greifen die hergebrachten Konzepte z.B. für angemeldete und lange geplante Demonstrationen nicht.
Auch die „Gewalt“ im Internet muss stärker in den Fokus gerückt werden. Wir brauchen dringend Konzepte für eine Strafverfolgung von Drohungen im Internet und insbesondere in den Sozialen Netzwerken. Hier muss es stark vereinfachte Möglichkeiten der Meldung von entsprechenden Vorgängen geben, die auch zu Reaktionen der Strafverfolgungsbehörden führen.
c) Gefahrenquelle Waffen
Waffen gehören, abgesehen vom Schießsport, nicht in Privathände, sondern sollten möglichst nur von Amtspersonen getragen werden. In den letzten Jahren gab es erfreulicherweise in Mannheim einen deutlichen Rückgang an Waffen bei Privatpersonen. Es ist zu vermuten, dass diese Entwicklung durch die derzeitige Verunsicherung der Bevölkerung konterkariert wird. Andere Städte melden bereits deutliche Anstiege bei der Beantragung von Waffenscheinen. Treiber des bisherigen Rückgangs an Waffen in Privathaushalten war die städtische Waffenkontrolle mit entsprechenden Kontrollgebühren. Diese positive Entwicklung wollen wir fortschreiben. Wir wollen den Rhythmus der Waffenkontrollen weiter verdichten und die Subventionierung der Waffenkontrollgebühren beenden. Wer Waffen privat aufbewahren möchte, muss die dadurch verursachten Kosten selbst tragen. Denn Waffen in Privathaushalten sind kein Gewinn für die Gesellschaft, sondern eine potentielle Bedrohung. Nicht ein Mehr an Waffen sorgt für Sicherheit, sondern ein Weniger an Waffen!
d) Lebenswerter öffentlicher Raum
Das Gefühl, wie sicher der öffentliche Raum ist, wird von vielen Faktoren bestimmt: Von der allgemeinen Anzahl der Straftaten in der Stadt bis hin zur baulichen Gestaltung eines Platzes. Durch die Kombination verschiedener Maßnahmen wollen wir die gefühlte Aufenthaltsqualität erhöhen ohne dabei wichtige Grundrechte zu beeinträchtigen.
Wir wollen den öffentlichen Raum baulich so gestalten, dass sich dort alle wohlfühlen können, unabhängig von Geschlecht, Alter oder Herkunft. Die Stadtplanung muss geschlechtersensibel planen und die Entstehung von Angsträumen vermeiden. An Orten, wo diese Angsträume bereits bestehen, wollen wir durch eine bessere Beleuchtung, die Schaffung von Sichtverbindungen, sowie verbesserte Wegebeschilderung das Sicherheitsgefühl erhöhen. Auch wollen wir Menschen ermutigen, ihre unmittelbare Nachbarschaft z.B. durch Urban Gardening und Straßenfeste mitzugestalten, aufzuwerten und der Anonymität in der Nachbarschaft entgegenzuwirken, um beispielsweise auch zur Einbruchsprävention beizutragen.
Im öffentlichen Raum muss der ruhende Verkehr stärker überwacht werden. Vielfach versperren Fahrzeuge Wegeverbindungen und Sichtbeziehungen durch unberechtigtes Parken, oftmals ohne entsprechende Konsequenzen. Auch Rettungseinsätze werden regelmäßig durch falsches Parken behindert. Daher muss die Verkehrsüberwachung personell verstärkt werden und auch in den Stadtteilen präsent sein.
Zur Verhinderung von Straftaten im öffentlichen Raum setzen wir auf eine bessere Präsenz der Polizei. Nur qualifizierte Beamt*innen können letztlich Gefahrensituation adäquat verhindern oder lösen. Videokameras verhindern keine Straftaten und haben keine deeskalierende Wirkung. Selbst bei der Aufklärung von Straftaten waren sie in der Vergangenheit oftmals nicht hilfreich, daher bezweifeln wir den oft behaupteten Nutzen der Videoüberwachung. Die Übergriffe von Köln, wo die Angriffe auf Frauen auf einem videoüberwachten Platz stattfanden und darüber hinaus von zahlreichen Zeugen mit dem Smartphone gefilmt wurden, sind ein Beispiel dafür, dass es für eine echte Sicherheit nicht an Videoaufnahmen, sondern an Beamt*innen und angemessenen Einsatzkonzepten fehlt. Neuere Techniken mit automatisierter Erkennung mögen die Aufklärung eventuell etwas verbessern, sie gehen aber in der Regel mit neuen Eingriffen in Persönlichkeitsrechten und neue Gefahren der Cyber- und Internetwelt einher. Auch deshalb hat der Einsatz von Menschen für uns Vorzug.
Den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wollen wir weiter ausbauen, gerade bezogen auf die Abend- und Nachtstunden, um allen Menschen einen sicheren Heimweg zu ermöglichen. Wo ein Ausbau des ÖPNV nicht möglich oder leistbar ist, wollen wir Ersatzmöglichkeiten schaffen. In vielen anderen Großstädten gibt es bereits Frauen-Taxen oder vergleichbare Angebote. Ein passendes Angebot wollen wir auch in Mannheim entwickeln.
In den letzten Jahren ist zunehmend der Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen ein Konfliktthema geworden. Wir stehen weiterhin dazu, dass im öffentlichen Raum erlaubt sein muss, Alkohol zu konsumieren, und dies nicht nur in der Außenbewirtungen von Bars und Restaurants. Dieses Recht soll der ganzen Bevölkerung zustehen, unabhängig von der eigenen finanziellen Situation. Gleichzeitig müssen wir jedoch feststellen, dass dieses Recht an einigen wenigen Plätzen überbeansprucht wird und mit zahlreichen Ordnungsstörungen und vereinzelten Straftaten einhergeht. Dieses können wir nicht ignorieren. Dafür reichen die bisherigen Rechte der Polizei, wie beispielsweise Platzverweise, in Mannheim bisher jedoch voll und ganz aus. Im Gegenteil würde die Ausweisung von Plätzen mit Alkoholverbot die Mannheimer Polizei zusätzlich belasten, da diese Plätze dann immer auch kontrolliert werden müssten, selbst wenn keine Störungen vorliegen.
e) Sexualisierte Gewalt
Gewalt gegen Frauen ist seit jeher ein Problem in Deutschland und in Mannheim, wenn auch ein bisher weitestgehend ignoriertes. Nun gewinnt das Problem durch die Zuwanderung nochmals an Relevanz, da viele Menschen zu uns kommen, die sozialisationsbedingt Schwierigkeiten mit unserem Verständnis der Gleichberechtigung von Mann und Frau und insbesondere dem Selbstbestimmungsrecht der Frau haben. Durch die Silvester-Vorfälle bekommt das Thema der sexualisierten Gewalt deutlich mehr Beachtung. Das ist grundsätzlich zu begrüßen, nicht jedoch der fremdenfeindliche Missbrauchs dieses Themas. Das Problem der sexualisierten Gewalt muss grundsätzlich angegangen werden und ist sowohl ein Thema für Einheimische wie Zugewanderte. Alltagssexismus muss thematisiert und bisherige Tabuthemen angesprochen werden. Dazu können wir auch auf kommunaler Ebene beitragen. Die Stadt muss beispielsweise konsequent gegen sexistische Werbung im öffentlichen Raum vorgehen. Frauen dürfen nicht auf einzelne Körperteile reduziert oder als reines Objekt männlicher Begierde dargestellt werden.
Die Stadt sollte ihre Mitarbeiter*innen, insbesondere die Mitarbeiter*innen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit, Werbung und Bildungsarbeit, gezielt zu diesem Thema fortbilden und in ihren Bildungseinrichtungen konsequent den Umgang mit Sexismus und das Hinterfragen von althergebrachten Geschlechterrollen thematisieren. Auch für die Mitarbeiter*innen des KOD muss es Weiterbildungsangebote geben, die sie sensibilisieren für das Vorgehen gegen Sexismus und sexistische Beleidigungen. Ebenso müssen Polizeibeamt*innen stärker sensibilisiert werden für den Umgang mit Sexismus und Sexualstraftaten. Hier müssen verstärkt Fortbildungen angeboten und bei den betroffenen Frauen um Vertrauen geworben werden. Frauenorganisationen berichten oft, dass Frauen nach Sexualstraftaten nicht geglaubt wird oder Frauen aus Angst, dass ihnen nicht geglaubt wird, keine Anzeige erstatten. Auch in Köln stieg die Zahl der Anzeigen erst sprunghaft an, nachdem die Polizei betroffene Frauen über die Medien aufgerufen hat, sich zu melden. Auch Aufklärung zu KO-Tropfen sowie zum Umgang mit sexualisierter Gewalt kann auf kommunaler Ebene eine große Wirkung erzielen. So schlagen wir eine regelmäßige Gesprächsrunde von Stadtverwaltung und Polizei mit den Betreiber*innen von Diskotheken, Bierzelten etc. vor, in denen entsprechende Themen behandelt werden können. Auch braucht es eine aktive Zusammenarbeit der Integrationsstelle mit Migrantenvereinen. Die Vereine sollten die Möglichkeit bekommen, in Geschlechterthemen informiert bzw. geschult zu werden. Dies erfordert natürlich eine Offenheit der Glaubensgemeinschaften sowie die Bereitschaft der Vereine mitzuarbeiten.
Ein wichtiges, sichtbares Zeichen gegen sexualisierte Gewalt wäre die lange von uns geforderte Änderung des Sexualstrafrechts („Nein heißt Nein“). Hier ist der deutsche Bundestag gefragt.
f) Zuwanderung nach Mannheim
Mannheim ist seit jeher durch Zuwanderung geprägt, von der Gründung bis zum heutigen Tag. Derzeit ist Mannheim durch zwei Zuwanderungsthemen geprägt – Zuwanderung aus Südosteuropa – vor allem in die Stadtteile Jungbusch und Neckarstadt-West – und durch Zuwanderung durch geflüchtete Menschen, die größtenteils auf den Konversionsflächen in BFV, Spinelli und Hammonds untergebracht sind. Dieses Zusammenleben von Menschen verschiedenster Herkunft und Sozialisation hat natürlich auch Einfluss auf die Sicherheit in der Stadt. Nicht weil Menschen anderer Herkunft eine andere Kriminalitätsneigung haben, sondern weil Zuwanderung mit sozialen Herausforderungen einhergeht.
Schon bei der Ankunft können Welcome-Broschüren in verschiedenen Sprachen – auch mit entsprechender Aufklärung – frühzeitig dabei helfen, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Neben Infos zu gesellschaftlichen Werten und dem deutschen Rechtssystem müssen Zugewanderte und Geflüchteten auch über ihre Rechte informiert werden. Dies könnte verstärkt in einem direkten Austausch beispielsweise in Begegnungscafés erfolgen.
Ebenso sind eine ausreichende Anzahl und das frühzeitige Angebot von Integrations- und Sprachkursen dringend notwendig, hier gilt es auf allen Ebenen Defizite abzubauen. Wichtigster Erfolgsfaktor bleibt aber die Integration in den regulären Arbeitsmarkt. Wir haben die Verantwortung, dass Menschen, die zu uns kommen, eine echte und faire Chance bekommen Teil zu haben an unserer Gesellschaft. Denn wenn wir diesen Menschen keine Chance geben und sie perspektivlos lassen, werden sie sich einen anderen, gegebenenfalls auch kriminellen Weg aus der Perspektivlosigkeit suchen. Wir brauchen für gelungene Integration ein umfassendes Konzept als Leitfaden für Menschen, um sich hier zurecht zu finden, sich an unsere Regeln und Erwartungen anpassen und integrieren zu können.
Bezogen auf die Geflüchteten sind die Herausforderungen nochmal spezieller, da sie in Mannheim überwiegend in Massenunterkünften untergebracht sind und ihre Aufenthaltsdauer überwiegend zeitlich begrenzt ist. Wichtig sind daher ausreichend Angebote für Geflüchtete in den Einrichtungen, damit diese ihre Zeit sinnvoll verbringen können, von 400-Euro-Jobs zur Unterstützung beim Betrieb der Einrichtungen bis zu Freizeitangeboten.
Es ist auch weiterhin festzustellen, dass die ersten Opfer von Gewalt normalerweise die Geflüchteten selbst sind. Die Polizeipräsenz in den Flüchtlingsheimen muss dringend erhöht werden, um die Menschen vor Übergriffen von außen und innen zu schützen.
Besonders Frauen und Kinder, aber auch LSBTI in Flüchtlingsunterkünften sind Gewalt ausgesetzt. Diese Übergriffe müssen dringend und unter allen Umständen unterbunden werden. Nicht nur dafür müssen in den Einrichtungen ausreichend Sozialarbeiter*innen eingesetzt werden.
Das in der Betreuung von Geflüchteten und in den Flüchtlingsunterkünften eingesetzte Personal – egal ob ehren- oder hauptamtlich – braucht Unterstützung. Schulungen zu Sexualität und Gewalt, der Umgang mit verschiedenen Ethnien und Kulturen. Da steht auch die Kommune in der Verantwortung.
Beim Thema Integration sind alle Bevölkerungsteile gefragt. Integration sollte in jedem Bereich des Lebens stattfinden.
g) Opferhilfe
Ein oft vergessenes Thema ist Opferhilfe, die Debatte dreht sich oft nur um die Verhinderung und Aufklärung von Delikte. Opfern von Straftaten muss geholfen werden. Entsprechend gilt es, die große Erfahrung des Weißen Rings zu nutzen und die Zusammenarbeit zu verstärken. Wir setzen uns für eine ausreichende Finanzierung für Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen ein. Dieses Problem muss überörtlich gelöst werden, da Frauen als Opfer von Gewalt oftmals ihren Heimatort verlassen (müssen), um sicher zu sein. Dementsprechend brauchen wir einen Mechanismus, mit dem die Kommunen finanziell unterstützt werden, die diese Angebote vorhalten, die insbesondere von auswärtigen Frauen in Anspruch genommen werden.
Auf Grundlage dieser Überlegungen gestaltet die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Sicherheitspolitik in Mannheim, unabhängig von kurzfristigen, tagespolitischen Ereignissen. Wir laden alle Bürgerinnen und Bürger ein, mit uns über dieses sicherheitspolitische Konzept zu diskutieren.
Mannheim, Mai 2016